Ein Dorf öffnet seine Türen |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 21.06.2014
Ein christliches Dorf im Irak nimmt unter dem Schutz
kurdischer Soldaten muslimische Flüchtlinge auf.
ALQOSH. Es herrscht eine andächtige Stille. Man würde eine
Nadel fallen hören. Dann fällt der Mann auf die Knie und beginnt zu singen,
bald klagend, bald jubilierend. Es ist ein Jahrhunderte alter Psalm. Im Chorgestühl
der kleinen Kirche des Heiligen Georg nehmen 15 Männer die Melodie auf,
verstummen schon bald und werden von den Frauen abgelöst, die auf den hinteren
Bänken Platz genommen haben. Vorne, am Altar, schwenkt ein Ministrant ein
Weihrauchfass und nebelt die ganze Apsis ein. Alqosh, ein christliches Dorf im
Norden des Irak, feiert Fronleichnam.
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Kampf ums Herz |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 18.06.2014
Kurdische Peschmerga-Soldaten haben die Stadt Kirkuk im Norden des Irak besetzt. Sie wollen die Bevölkerung vor den Isis-Terroristen schützen, sagen sie. In Wahrheit aber geht es um Land und Öl.
KIRKUK. Es ist ein bizarres Bild. Unter der Brücke, im
seichten Wasser des Flusses, steht ein Bettgestell, und darauf sitzt ein Offizier
der irakischen Polizei, in Kampfuniform. Er lacht, hält sich den staatlichen
Bauch mit beiden Händen und sagt völlig entspannt: „Vor zehn Minuten haben wir
hier einen Mörserangriff überstanden.“ Vor ihm, am Ufer sitzen 30 Männer, zur
Hälfte in dunkelblauer Polizeiuniform, zur andern Hälfte Peschmerga, Soldaten
der kurdischen Miliz.
Wir stehen am Maschroual-Fluss, 20 Kilometer westlich
von Kirkuk, einer Stadt mit über einer halben Million Einwohnern im irakischen Norden. Eigentlich ist es ein
Kanal, angelegt unter dem Regime des von den Amerikanern 2003 gestürzten
Diktators Saddam Hussein. Er bildet die Grenze zwischen dem Gebiet, das die
Kurden beanspruchen, und jenem, das seit einer Woche die islamistische
Terrortruppe Isis (Islamischer Staat im Irak und in Syrien) kontrolliert. Wir
sind also an der Front, jedenfalls in der Nähe.
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