Das Tabu Schuldenschnitt |
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Thomas Schmid, Frankfurter Rundschau, 10.08.2015
Die Gläubiger bescheinigen den Schuldnern gute Zusammenarbeit.
Der deutsche Finanzminister aber meldet Skepsis an. Ob dies in der Sache
begründet ist oder ob Schäuble weiterhin auf ein Scheitern und einen Grexit
setzt, weiß wohl nur er selbst. In Brüssel wird man jedenfalls aufatmen, wenn
das dritte Memorandum of Understanding über Kredite in Höhe von 86 Milliarden
Euro in den nächsten zehn Tagen über die Bühne geht. Und auch in Athen. Bis zum
20. August muss Griechenland der Europäischen Zentralbank (EZB) 3,2 Milliarden
Euro überweisen, die es zur Zeit nicht hat. Andernfalls muss eben eine
Überbrückung gefunden werden. Doch auch wenn alles gut läuft, wenn Griechenland
Geld erhält und im Gegenzug seine Hausaufgabe erledigt, um im paternalistischen
Jargon der Gläubiger zu sprechen, ist ein Grexit keineswegs ausgeschlossen.
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Weitergestolpert |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 23.02.2015
Selten wohl war in einem europäischen Kabinett so viel wirtschaftswissenschaftliche Kompetenz versammelt. Ein halbes Dutzend Minister der griechischen Regierung sind Universitätsprofessoren und haben bis in allerjüngster Zeit noch an ökonomischen Fakultäten doziert. Aber Wissenschaft und Politik sind offenbar zwei Paar Schuhe. Ein guter Spieltheoretiker ist nicht unbedingt ein guter Spieler. Schon der alte Bismarck, der in seinen Reden gern antiintellektuelle Ressentiments bediente, hatte gespottet: "Die Politik ist keine Wissenschaft, wie viele der Herren Professoren sich einbilden, sondern eine Kunst."
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Moralische Verkommenheit |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 10.02.2015
Das schiere Ausmaß jagt jedem anständigen Steuerzahler einen Schauer über den Rücken. Es geht um Zehntausende von Kunden, die zig Milliarden von wie auch immer erworbenen Dollars in der Schweiz versteckten. Sie vertrauten ihre Millionen der in Genf angesiedelten Schweizer Tochtergesellschaft der Hongkong and Shanghai Banking Corporation (HSBC), der zweitgrößten Bank der Welt, mit Hauptsitz in London, an. Es handelt sich um Schurken wie auch um Leute, die bislang niemand zu diesen zählte. Da gesellen sich zu einem spanischen Rauschgifthändler und dem Cousin des syrischen Diktators ein Putin nahestehender Oligarch, die Tochter eines chinesischen Ex-Premiers und der berühmteste Koch Frankreichs.
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Eine Chance für Griechenland und für Europa |
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Thomas Schmid, Frankfurter Rundschau, 27.01.2015
Viele Griechen heizen wieder mit Holz, stehen in den Küchen
wohltätiger Vereine um einen Teller Suppe an und schicken ihren Nachwuchs in
SOS-Kinderdörfer. Ärzte versorgen in Notkliniken mittellose Patienten, die aus
jeder Krankenversicherung herausgefallen sind. In Griechenland, einem Staat der
EU, einem Zimmer im Haus Europa, herrscht ein humanitärer Notstand, der
hierzulande kaum wahrgenommen wird. Griechenland geht ins sechste Jahr der
Krise. Nun zeigt sich ein Licht am Ende des Tunnels. Nicht weil genug gespart wurde, sondern weil immer mehr
Griechen die Sparpolitik satt haben. Die linke Syriza hat die Wahl klar
gewonnen.
Der erst 40-jährige Wahlsieger Alexis Tsipras steht für eine
neue, unverbrauchte Generation, die nicht mit dem alten Machtklüngel verbandelt
ist. Er könnte in einem Land das seit dem Ende der Militärdiktatur abwechselnd
und am Schluss gemeinsam von zwei Parteien, der konservativen Nea Dimokratia
und der sozialdemokratischen Pasok, regiert wurde, einen Wechsel der
politischen Elite einleiten - und damit einen Abschied von einem Machtsystem,
das auf Vetternwirtschaft und Korruption beruhte und jede Modernisierung des
Staatsapparates blockierte. Tsipras ist auf dem besten Weg, diese Chance leichtfertig
zu verspielen. Dass er ausgerechnet eine Koalition mit den Rechtspopulisten von
ANEL eingeht, deren Führer Panos Kammenos, ein xenophober Demagoge erster Güte,
schon der Neo Dimokratia als Vizeminister gedient hat, ist ein schlechtes Omen.
Man kann nur hoffen, dass Syriza diese Koalition aufkündigt, bevor sie an ihr
zerbricht.
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Starren auf Kobane |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 27.10.2014
Seit einem Monat schon sehen wir am Fernsehen täglich die Rauchsäulen
über den unscharf konturierten Gebäuden von Kobane. Wie die an der
Grenze gerade eingetroffenen Flüchtlinge, die ausländischen
Journalisten, die kurdischen Bauern und die türkischen Soldaten schauen
auch wir hinüber nach Syrien, auf die nur einen Kilometer entfernte,
heiß umkämpfte Stadt. Wird sie an die Kopfabschneider des Islamischen
Staates (IS) fallen? Werden die Kurden sie zurückerobern?
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Die Gefahr beschleunigter Erosion |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 29.09.2014
Ist
die US-Intervention in Syrien ein Bruch des Völkerrechts? War sie angesichts
des Terrors des "Islamischen Staats" aus humanitären Gründen geboten?
Die Fragen an sich verweisen schon auf einen zivilisatorischen Fortschritt. Denn
es ist noch keine hundert Jahre her, da war es bloß eine Frage der politischen
Opportunität, ob ein Staat einen andern militärisch angriff oder nicht. Das
"ius ad bellum" (Recht zum Krieg) gehörte zu den selbstverständlichen
Attributen eines souveränen Staates. Erst 1928, noch unter dem Eindruck von
über zehn Millionen Toten des Ersten Weltkrieges, wurde im Briand-Kellogg-Pakt
der Angriffskrieg international geächtet. Nach weiteren 55 Millionen Toten im
Zweiten Weltkrieg schrieben die Gründerstaaten der Vereinten Nationen 1945 in
die UN-Charta, dass "bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei
Angriffshandlungen" eine militärische Intervention erlaubt ist, wenn sie
der UN-Sicherheitsrat autorisiert.
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