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Griechenland


Wie eine Decke aus Blei PDF Drucken
Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 07.11.2011


Athen ist fest im Griff der Rezession. An Hilfe durch die Politik glaubt hier niemand mehr. Unter den Menschen machen sich Hoffnungslosigkeit und Resignation breit.


Die Fokionos-Negri-Allee gehörte vor noch nicht allzu langer Zeit zu den Prachtboulevards der griechischen Hauptstadt. Cafés säumen die Fußgängerzone, Bauhaus-Stil und Art Déco zeugen von glanzvollen Zeiten. Vergangenen Zeiten. Der Brunnen ist trockegelegt. Der Rasen ungepflegt. Die Hälfte der Läden steht zum Verkauf aus. Und unten an der Ecke, wo eine Kirche seit Wochen geschlossen ist, weil niemand die Schäden eines Kabelbrandes beseitigt, ist das Pflaster aufgerissen. Ein Kiosk stand einst hier. Doch der Händler hat aufgegeben und ihn abmontiert.

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Viel Provinz und wenig Geld PDF Drucken

Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 18.05.2011


Die griechische Depression hat sich längst von Athen aus bis in den letzten Winkel des Landes ausgebreitet. In Kozani schließen die Zechen, in Naoussa hoffen sie auf Alexander den Großen


KOZANI/NAOUSSA. Die Kundschaft wurde weniger. Eines Tages konnte Dimitris die Miete nicht mehr zahlen. Schließlich räumte er seinen Jeans-Laden, nach nur zwei Jahren. "Wäre ich bloß in Deutschland geblieben", ärgert sich der Grieche, der in Gelsenkirchen Früchte und Gemüse verkaufte, "wir lebten nicht schlecht, aber meine Frau wollte zurück." Nun verbringt er seine Tage auf dem Hauptplatz von Kozani und schlürft kalten Kaffee. Wie Kostas, mit dem Dimitris einst die Schulbank gedrückt hat. Der hat sein Restaurant vor einer Woche dichtgemacht: "Meine Stammgäste aßen immer häufiger selbst am Sonntag lieber zu Hause." Und Orestis, der zwanzig Jahre als Typograf in einer Klitsche arbeitete, die zu Jahresbeginn Insolvenz anmeldete, sagt nur: "Mein Leben ist zu Ende. Mit 45 kriege ich doch nirgends mehr einen Job. Was aus den drei Kindern einmal werden soll, weiß ich nicht. Wahrscheinlich werden sie auswandern."

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Kleiner Gefallen - großer Schaden PDF Drucken

Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 10.05.2010

Weil in Griechenland fast jeder jeden schmiert, entgehen dem Staat Steuern in Milliardenhöhe



ATHEN. Vor zehn Jahren war alles wunderbar. Das Geschäft boomte. "Einem Richter baute ich ein Haus - es war die Mitgift für seine Tochter - für 600 000 Euro", erzählt Petros Villegas, der sich mit gutem Grund anders nennt, als er heißt, "und das Ferienhaus für den Kapitän der Marine war noch etwas teurer." Beide Häuser stehen in Kifissia, dem nobelsten Vorort von Athen, wo Platanen und Pinien Schatten spenden und die neureiche Schickeria in Edelboutiquen einkauft. Der Richter und der Kapitän verdienten beide monatlich rund 2 000 Euro. Für den Bauingenieur besteht kein Zweifel, dass er Schwarzgelder verbaut hat. Über zwei Millionen Häuser stehen in Griechenland, die illegal errichtet wurden. "Heute ist das schwieriger geworden", sagt Villegas, "und deshalb flüchtet das Geld ins Ausland, vor allem nach Zypern."

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Abgebranntes Land PDF Drucken

Thomas Schmid, 06.05.2010


GRIECHENLAND-KRISE - Mit einem Generalstreik wehren sich die Griechen gegen die dramatischen Kürzungen. Die Proteste eskalieren, drei Menschen sterben. Ökonomen warnen vor den Gefahren des Sanierungskurses.



ATHEN. Zumindest an diesem Mittwoch scheint er der mächtigste Mann Griechenlands zu sein. Yiannis Panagopoulos sitzt in seinem Chefsessel. Er ist völlig ruhig, während Funktionäre herumwieseln, Telefone klingeln, Akten gereicht werden und der Lärm von Sprechchören in sein Büro dringt. Von seinem Balkon aus sieht man Tausende Menschen zum Sitz der GSEE strömen. Die GSEE ist der Dachverband der griechischen Gewerkschaften, und Panagopoulos ist ihr Boss. Seit Mitternacht streiken die Fluglotsen. In Piräus, der Hafenstadt bei Athen, liegen die Fähren zur griechischen Inselwelt vor Anker. In der Hauptstadt sind ab zehn Uhr die Zugänge zur U-Bahn zugesperrt. Die Taxi-Chauffeure sind für sechs Stunden in Streik getreten. Seit Dienstag schon sind staatliche Ämter geschlossen, Lehrer und Steuereintreiber im Ausstand, die Ärzte versehen nur einen Notdienst. Er wird diese Nacht mehr als üblich gebraucht werden. Mit Verletzten wird gerechnet. Noch kann Panagopoulos nicht wissen, dass der Generalstreik Menschenleben kosten wird. Drei Menschen verbrennen in einer von Randalierern angezündeten Bankfiliale.

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Du sollst dich nicht erwischen lassen PDF Drucken

Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 22.01.2010

In Athen schimpfen alle über Korruption und Klientelwirtschaft. Die neue Regierung verspricht Änderungen und riskiert damit einen heißen Frühling


ATHEN. Es ist schwierig, jemanden zu finden, der reden will. Alle sind misstrauisch. "Nennen Sie mich Kostas", sagt schließlich Kostas, der anders heißt, und bittet ins Hinterzimmer seines Geschäfts im Zentrum von Athen, wo er sich auf ein durchgesessenes Sofa fallen lässt. Das Büro ist vollgestopft mit leeren Kartons. Auf dem Tisch stapeln sich Lieferscheine, leere Bestellformulare, auch einige Rechnungen. Über dem alten Computer hängt eine Ikone: Die Muttergottes vergießt eine Träne. Sie scheint mitzuleiden. "Es geht uns schlecht", klagt Kostas, "und es wird noch schlimmer werden, man will uns an den Kragen. Ausgerechnet jetzt, wo das Geschäft schlechter läuft als je." Er sagt es in recht gutem Deutsch mit schwäbischem Akzent. Zehn Jahre hat der 59-jährige Kostas bei Daimler gearbeitet. Vor 25 Jahren ist er in seine Heimat zurückkehrt, um das Geschäft seines Vaters zu übernehmen. Während er im Hinterzimmer jammert, wartet vorne im Laden seine Frau zwischen Töpfen, Pfannen, Gläsern, Vasen und Staubsaugern auf Kunden.

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Der Blick in die Welt, Thomas Schmid