NIZAR HIJJEH - Tausend Herzen für Kinder |
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Thomas Schmid, taz, 19.05.2017
Nizar Hijjeh gab seine Stelle als Oberarzt auf und ließ seineFamilie in Deutschland zurück - um in Ostjerusalem zu arbeiten.Dort operiert er nun Kinder am Herzen, die sonst unversorgt blieben.
Die Kinder fanden es lustig, die Polizei wunderte sich. Da kam am Rand einer viel befahrenen Straße ein Mann auf einem Esel zum Ölberg hochgeritten, dem Hügel oberhalb der Altstadt von Jerusalem. Es war kein Obsthändler oder Bauer, wie man schon aus seiner Kleidung schließen konnte. Vor dem Makassed Hospital, dem größten palästinensischen Krankenhaus, stieg er vom Esel ab, führte das Tier zu einem kleinen Platz just unter seinem Büro in der Chirurgie, wo es sein Heu fraß. Das Futter hatte der Arzt selbst besorgt.
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THEO PINKUS - Leben im Widerspruch |
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Thomas Schmid, taz, 05.05.1991
Am vergangenen Sonntag starb in Zürich im Alter von 81 Jahren der Buchhändler, Kommunist, Verleger, Antiquar, Jude und Mentor einer ganzen Generation von Linken: Theo Pinkus
Am 1. Mai fehlte er nie. Immer stand er etwas verloren am Straßenrand und versuchte in der Zürcher Innenstadt den "Zeitdienst" für 50 Rappen loszuwerden. Wir kauften das in aller Regel todlangweilige Blättchen —aus Respekt vor diesem Monument der Arbeiterbewegung, das dem Regen, dem Wind und dem Spott der saturierten Zürcher Bürger trotzend jeden Passanten mit seinem „Kanne Si scho de neu 'Ziitdienst'?" nervte.
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JOHANNES LEPSIUS - Freund der Armenier und deutscher Patriot |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 24.04.2015
Der in Berlin geborene Pastor Johannes Lepsius wollte die Öffentlichkeit 1915 über den Genozid aufklären _ und scheiterte.
Spätestens seit den peinlichen Querelen, ob man einen Völkermord Völkermord nennen darf, ist der Genozid, dem im Osmanischen Reich 800 000 bis 1,5 Millionen Armenier zum Opfer fielen, einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Heute wird auch der Bundestag an die Verbrechen von damals erinnern. Damals, vor hundert Jahren, versuchte Johannes Lepsius, ein in Berlin geborener Pastor, die Öffentlichkeit über den Völkermord an den Armeniern aufzuklären. Vergeblich - weil das Deutsche Reich in den Völkermord verstrickt war.
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ALEXIS TSIPRAS - Triumph eines Senkrechtstarters |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 26.01.2015
Für die einen ist er ein Scharlatan, ein wirtschaftspolitischer
Geisterfahrer, für die anderen ein Messias, der Griechenland, ja ganz
Europa retten kann: Alexis Tsipras, der 40-jährige charismatische Chef
der Linkspartei Syriza, der wie erwartet die Wahl am Sonntag gewonnen
hat. Der Mann, der manchmal die Ausstrahlung eines rotzfrechen Bengels
hat, manchmal aber wie Mamas liebster Schwiegersohn daherkommt, mischt
die europäische Politik auf. Er konnte die Griechen begeistern, Hoffnung
verbreiten. Neben ihm sahen alle alt aus.
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KLAUS JOHANNIS - Der Quereinsteiger |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 23.10.2014
Klaus Johannis, der deutsche Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt),
möchte rumänischer Präsident werden.
SIBIU. Die
schmucke Altstadt mit ihren barocken Gebäuden ist eine Perle der
siebenbürgischen Baukunst. Straßencafés verbreiten einen Hauch mediterranen
Charmes. Die wenigen Gäste versuchen, noch etwas Sonne zu tanken.
Altweibersommer in Sibiu, am Fuß der rumänischen Karpaten. Vor dem
Brukenthal-Palais auf dem weitläufigen Hauptplatz, dem Großen Ring, zücken chinesische
Touristen iher Handy-Kameras. Hier residierte einst Samuel von Brukenthal, von
der österreichischen Kaiserin Maria Theresa 1777 zum Gubernator Siebenbürgens
ernannt. Gegenüber dem prächtigen Palast liegt ein weiteres Barockgebäude, das
Rathaus, der Amtssitz von Klaus Johannis.
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JOUMANA HADDAD - Die Mörderin Scheherazades |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 14.11.2013
Beirut – Die
libanesische Journalistin und Schriftstellerin Joumana Haddad bricht
Tabus der arabischen Welt. Sie schreibt offen über Sexualität und
erklärt sich zur Atheistin.
Im Libanon gilt sie als Skandalnudel. Aber der
Skandal ist nicht sie, Joumana Haddad, 42, Lyrikerin, Journalistin,
Feministin. Der Skandal sind die gesellschaftlichen Verhältnisse, die
Heuchelei und Verlogenheit fördern, die Unterwerfung zur Tugend erklären
und Selbstverachtung produzieren. Gesellschaftliche Verhältnisse, in
denen Macht, Sex und Religion eine unheilige Allianz eingehen und in
denen ein Häutchen zwischen den Schenkeln der Frau über ihre Ehre
entscheidet. Joumana Haddad nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um
Grundsätzliches geht.
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ENRICO MONFRINI - Der Schatzsucher |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 07.09.2013
Der Genfer Rechtsanwalt Enrico Monfrini spürt den
illegal zusammengerafften Geldern gestürzter
Diktatoren nach.
GENF. Für 50 Gramm
Belugakaviar zahlt man hier 472 Franken, umgerechnet 400 Euro. Ein
Füllfederhalter kostet 700, eine Uhr 10000 Euro. Edelboutiquen,
schicke Modegeschäfte und sündhaft teure Delikatessenläden säumen die
Place du Molard im Zentrum von Genf. Hier hat Enrico Monfrini sein
Büro. Das dunkle Holz der Wandregale, der antike Schreibtisch und die
schweren Vorhänge, die Licht und Lärm der Außenwelt zurückhalten,
verleihen der geräumigen Kanzlei des 69-jährigen
Rechtsanwalts eine düstere, unheimliche Note. Es ist das passende
Ambiente für den Mann, der den illegal erworbenen Vermögen gestürzter
Potentaten nachspürt.
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